Betriebsschliessungsversicherung
Corona: muss meine Versicherung zahlen?
Viele Betriebe stehen momentan aufgrund der Corona Krise still. Insbesondere die Bereiche Gastronomie, Lebensmittel, Hotel und Catering sind stark betroffen. Wie gut, wenn man dann in so einem Fall eine sogenannte Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen hat, um sich gegen derartige existenzbedrohende Einbußen abzusichern. Diese bietet Versicherungsschutz, wenn ein Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz geschlossen wird. Viele Betroffene, die einen Schaden bei Ihrem Versicherer gemeldet haben, erleben allerdings eine (weitere) böse Überraschung.
Versicherungen lehnen eine Kostenübernahme häufig erst einmal ab
Die Versicherungen lehnen eine Kostenübernahme nämlich häufig ab. Soweit ersichtlich, stützen sie sich dabei vornehmlich auf folgende Argumente:
- Es handle sich um ein neuartiges Virus, das in den Bedingungen nicht explizit aufgeführt ist;
- Ein landesweiter Erlass reiche nicht, der Betrieb müsse vielmehr eine einzelne konkrete Anordnung zur Schliessung erhalten.
Beide Argumente sind nach unserer Auffassung falsch, jedenfalls angreifbar, wobei es natürlich immer auf die jeweils im konkreten Fall vereinbarten Bedingungen ankommt (die deutlich voneinander abweichen können).
Argumente der Versicherer dürften vor Gericht kein Bestand haben
Der Hinweis auf die „Neuartigkeit“ dürfte vermutlich vor Gericht keinen Bestand haben, insbesondere nach der Anordnung des Bundesgesundheitsministers vom 01.02.2020 zur Erweiterung der Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz. Außerdem sind Versicherungsbedingungen nach der Rechtsprechung verbraucherfreundlich so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne Spezialkenntnisse versteht. Kaum anzunehmen, dass ein solcher Durchschnittsmensch davon ausgehen würde, gerade ein solches neuartiges Virus sei nicht versichert.
Das zweite aufgeführte Argument dürfte ebenfalls falsch sein, kein Betrieb kann gezwungen sein, erst ein Bußgeld oder mehr zu riskieren, um eine Versicherungsleistung zu erhalten.
Nach unserer aktuellen Einschätzung sind einige Versicherungen bereits dazu übergegangen, ihre Verweigerungshaltung aufzugeben. Andere hingegen scheinen angesichts der hohen Kosten, die auf sie zukommen können jedenfalls eine Regulierung weiter zu verzögern.
Vorsicht vor Vergleichen!
Neu ist momentan, dass einigen Kunden ein „Vergleich“ angeboten wird, bei welchem Sie nur einen Teil der vertraglichen Leistungen akzeptieren. Hier ist absolute Vorsicht geboten, denn regelmäßig sieht der schriftliche Vergleich dann vor, dass auf alle weiteren Ansprüche rechtsverbindlich verzichtet wird.
Auch wird häufig aufgeführt, der Betrieb muss sich staatliche Hilfen anrechnen lassen. Dies ist in dieser Allgemeinheit jedenfalls falsch. Grundsätzlich kommt bei einem privatrechtlichen Vertrag keine Anrechnung in Betracht (warum sollte die Versicherung und nicht Ihr Betrieb von den staatlichen Hilfen profitieren?). Auch hier könnte sich etwas anderes aus ihren konkreten Bedingungen ergeben.
UPDATES
Update zum 27.05.2020
Nun liegt ein erstes Urteil eines Gerichts zur Bewertung der Frage vor, ob Versicherer bei „Corona-Schliessungen“ zahlen müssen. Auch wenn es sich sicherlich um eine Einzelfallentscheidung handelt, so sollte das Urteil den Betroffenen doch Mut machen. Das Landgericht Mannheim (Aktenzeichen 11 O 66/20) hat die Klage (es handelte sich um einen Eilantrag) zwar im Ergebnis abgewiesen, allerdings doch Bemerkenswertes festgehalten:
Die Kammer vertritt nämlich die Rechtsauffassung, dass den Betroffenen grundsätzlich ein Anspruch auf die Versicherungsleistung zusteht. Gleich mehrere Argumente der Versicherung wurden entkräftet. Das hier streitgegenständliche Bedingungswerk lautete:
„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne der Bedingungen sind die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“
Auch wenn das SARS Corona Virus namentlich dort nicht erwähnt ist, ist die Klausel so auszulegen, dass letztlich Versicherungsschutz besteht.
Eine Allgemeinverfügung ist nach Ansicht des LG Mannheim ausreichend, eine Einzelverfügung im Sinne eines Verwaltungsaktes, der sich direkt auf das betroffene Objekt bezieht, ist gerade nicht notwendig.
Dies gilt auch dann, wenn „nur“ eine Teilschliessung vorliegt, etwa, weil bei Hotels geschäftliche Übernachtungen weiter möglich sind oder im Gastronomiebetrieb ein Lieferservice möglich sei. Eine „faktische Schliessung“ wie durch die jeweilige Behörden und Länder veranlasst, ist ausreichend.
Auch muss die „Gefahr“ nicht vom versicherten Betrieb selber ausgehen, es muss also kein konkreter Corona-Fall im Betrieb vorgelegen haben.
Damit sind viele der Argumente, welche von Versicherungen gegen eine Entschädigung vorgebracht wurde, vom Gericht als nicht tragend zurück gewiesen worden.
Übrigens:
Auch ein weiteres „Argument“, welches Versicherer vorbringen, um Kunden in „Vergleiche“ zu drängen, dürfte widerlegt sein. So wird oftmals behauptet, dass dann, wenn der Kunde einen Rechtsanspruch auf Zahlungen gegen die Versicherung hat, diese Zahlungen im Verhältnis zur Arbeitsagentur anspruchsmindernd zu berücksichtigen seien, während dies für „freiwillige Leistungen“ aufgrund eines Vergleiches nicht gelte.
Die Bundesagentur für Arbeit klargestellt, dass es unerheblich ist, ob der Versicherer einen Rechtsanspruch auf die Leistung anerkennt oder nicht, die Betroffenen Leistungen (das Kurzarbeitergeld) seien nicht anzurechnen.
Update zum 23.04.2020
Da uns immer mehr Mandanten von Problemen mit der geschilderten Verweigerungshaltung der Betriebsschliessungsversicherer berichten, hier ein kurzes Update:
- Teilweise wird die Leistung mit dem Argument abgelehnt, ein Betrieb schließe gar nicht komplett, sondern habe immer noch ein Tätigkeitsgebiet offen. Dies mag zum Beispiel auf Gastronomiebetriebe zutreffen, die nunmehr, in der Not, einen Lieferservice anbieten. Auch diese Argumentation dürfte regelmäßig unzutreffend sein, wobei auch hier die Tücke im Detail (den Versicherungsbedingungen) liegen kann. Grundsätzlich dürfte eine derartige angeordnete Schliessung ausreichen, um den Versicherungsfall eintreten zu lassen. Darüber hinaus sind viele Bedingungen so ausgestaltet, dass die versicherten Betriebe eine Schadenminderungspflicht trifft. Das bedeutet, dass eine vertragliche Obliegenheit vereinbart wurde, den Schaden möglichst niedrig zu halten. Wir vertreten die Rechtsauffassung, dass dann eine derartige „Teilöffnung“ jedenfalls nicht schädlich sein kann. Anderenfalls bekämen Sie nie Ihr Geld. Entweder Sie öffnen teilweise (dann kein Versicherungsschutz) oder Sie lassen ihren Betrieb zu (dann Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit und wiederum kein Versicherungsschutz). So ausgelegt würde das bedeuten, dass sie niemals Leistungen erhalten können. Das untergräbt den Vertragszweck und wäre dann unwirksam. Unser Tipp: Lassen Sie Ihr Vertragswerk von unserem Experten, Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Oliver Wagner, prüfen. Eine Erstberatung ist kostenlos.
- Schon zuvor wurde von Versicherungen darauf hingewiesen, dass Sie sich mögliche staatliche Hilfen anrechnen lassen müssen. Auch dies ist nach unserer Ansicht jedenfalls für die gängigen Versicherungsbedingungen falsch. Dort ist nämlich lediglich aufgeführt, dass eine Anrechnung von Entschädigungsansprüchen erfolgt. Dies setzt voraus, dass Ihr Betrieb aufgrund eines Verschuldens (z.B. des Staates) Ansprüche gegen Dritte hat. Bei den momentan zu erhaltenen Leistungen handelt es sich aber in aller Regel um freiwillige staatliche Hilfen, die nicht durch Schadenersatzansprüche entstanden sind. Dann darf unserer Meinung auch keine Anrechnung erfolgen.
- Achtung: Viele Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand. Insbesondere der teilweise angebotene Vergleich, wonach die Versicherung lediglich 15% der vertraglichen Leistung bezahlt, könnte kritisch sein. Sollte eine Insolvenz nicht zu verhindern sein, wird sich der Insolvenzverwalter den Vergleich möglicherweise im Hinblick auf eine mögliche Gläubigerbenachteiligung genau ansehen. Schließlich haben Sie dann auf etwaige 85% der Leistung verzichtet. Es sollte genau geprüft werden, ob Sie sich als Geschäftsführer eines Betriebes mit einer solchen Unterschrift nicht persönlich haftbar machen können.
Übrigens ...
Eine Ertragsausfall- oder Betriebsunterbrechungsversicherung kommt jedenfalls in der Regel für derartige Fälle nicht auf. Hier ist gewöhnlich ein durch ein versichertes Ereignis (z. B. Brand) entstandener Sachschaden abgesichert. Eine Prüfung des jeweiligen Bedingungswerkes kann allerdings nie schaden.
Das Pendant zur Betriebsschliessungsversicherung für Selbständige kann unter Umständen eine Praxisausfallversicherung sein. Auch hier können Ansprüche bei Stilllegung wegen des Corona-Virus abgedeckt sein.
Wir regeln das schon für Sie!
- Prüfung Ihres Versicherungsvertrags
- Formulierung der Schadensmeldung
- Korrekte Formulierung des Leistungsantrags
- Prüfung der Leistungsablehnung
- Klärung der Gründe für die Leistungsverweigerung
- Korrespondenz mit der Versicherung
- Durchsetzung Ihrer Ansprüche
SCHNELLE HILFE?
Kostenlose Erstberatung unter 0211/415594-0